...Max Ragwitz - zu unserem Spreewald!

Bodenständige Gastlichkeit im Herzen des Spreewalds

Der Spreewald war schon immer ein ganz besonderes Reiseziel für mich. In Straupitz wurde 1901 mein Großvater Max Lucas geboren. Und in seinem Elternhaus habe ich oft unbeschwerte Ferientage verbracht, früh um sechs die Pferde angespannt und auf den Spreewaldwiesen Grünfutter für's Vieh mit der Sense gemäht. Große Begeisterung kam auch immer auf, wenn ich an einem zünftigen Schlachtefest teilnehmen konnte.

Diesmal ging's aber nicht nach Straupitz, sondern nur wenige Kilometer weiter ins Spreewalddorf Werben. Mein Ziel war der Landgasthof und Hotel "Zum Stern", auf den ich durch den omnipräsenten Spreewaldkoch Peter Franke aufmerksam geworden bin. Nach einem Zwischenstopp in Straupitz, wie könnte es anders sein, hatte ich in den weithin sichtbaren Landgasthof schnell eingecheckt.

Danach wollte mir in der einladenden Gaststube ein Willkommensbier gönnen, als ein unglaublicher Skandal geschah: Ein stattlicher Herr mit grüner Schürze und markantem Strohhut kam auf mich zu, drückte und herzte mich mit den Worten "Willkommen im Spreewald, mein Maxe" und begann aus voller Kehle an zu singen: "Zwei gute Freunde..." Frech, wie ich bin, habe ich gleich mitgesungen... Und das bei gut gefüllter Gaststube. Wie peinlich ist das denn? Gar nicht, fanden wir, denn wir waren längst Freunde im Herzen. Und das Bier haben wir dann gemeinsam genossen. Jeder seins, versteht sich.

Das von Antje Schlodder-Franke geleitete Haus mit über 400-jähriger Familientradition bietet von der Unterkunft her das, was man von einem Landgasthof im Spreewald erwartet: Zweckmäßig und ländlich-dezent eingerichtete Zimmer mit dem üblichen Komfort modernen Wohnens. Vom Interieur hatte ich zwar etwas mehr Spreewaldflair erwartet, was nicht heißt, dass die Zimmer auch in den Accessoires geschmackvoll eingerichtet sind. Dem Haus angeschlossen ist auch eine Bowlingbahn im Sportcenter werben. Gute Möglichkeit also, nach den Köstlichkeiten der Spreewälder Küche ein wenig abzuspecken, um dann den Tag bei einem guten Tropfen ausklingen zu lassen. Auch auf Wellness-Einheiten muss man in Werben nicht verzichten. Das Haus arbeitet eng mit der nahen Spreewald-Therme im nahen Burg zusammen. Da ist man sozusagen im Land der unbegrenzten Wohlfühl-Möglichkeiten.

Sehr wohl kann man sich in der Gaststube des Hauses fühlen. Hier herrscht Spreewaldatmosphäre, sind die schmückenden Details ganz auf die Region abgestimmt. Nicht minder gastlich ist der Salon "Schönfeldt", der Platz für kleine und größere Feierlichkeiten bietet. Wobei wir schon beim Thema Küche angekommen wären. Die steht unter dem vom obersten Küchenchef Peter Franke ausgegebenem Leitspruch "Vorwärts, zurück zur Natur". Der Chef über Küche und Keller aber lässt lieber arbeiten und hat mit seinem Küchenchef Swen Arnhold und seinem Team eine echt gute Mannschaft aufgestellt, die die Philosophie des Kräuter-Peter, wie ich ihn nenne, bestens umsetzt.

Aber es ist durchaus nicht so, dass Peter Franke derweil auf der faulen Haut liegt, während in der Küche die Schweißtropfen nur so fließen. Wenn Not am Mann ist, erklärt er mir, ist er auch mit von der Partie. Ansonsten treibt es ihn in allen Gegenden Brandenburgs und Berlins um. Denn der Mann ist schließlich zum kulinarischen Botschafter des Spreewald avanciert, hat schon mit Johann Lafer sein kulinarisches Unwesen getrieben und ist längst auch in der Landesregierung eine gefragte Adresse, wenn es um regionale, bodenständige Küche geht. Nicht zu vergessen sei großes Hobby, die Kräuterei, dem er mit der Errichtung der Spreewälder Kräutermanufaktur im benachbarten Burg eine Art Denkmal gesetzt hat. Ein Erlebnis dort zu sein. Das duftet wie Weihnachten und Ostern zusammen. Der Kerl ist sogar so verrückt, dass er mit seinem Freund und Foodhunter Karl Röske echtes Wasabi im Spreewald züchtet. Auf die erste Ernte bin ich schon heute gespannt wie Bolle.

Und was zeichnet seine Küche aus, frage ich den Chef. Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: "Einfache, bodenständige, regionale Küche ohne Fisematenten." Weitere pointierte Antworten gibt's auch in dem ausführlichen Interview, das ich mit ihm geführt habe (Link). Ein Blick auf die Speisekarte beweist, der Mann flunkert nicht. Er bietet "Scharfes Spreewaldquartett" mit verschiedenen Sorten frischen Meerrettich auf Brot ebenso an wie "Spreewälder Originale" mit verschiedenen Gurkensorten und einem Schober aus frischem Sauerkraut. Selbstgemacht, versteht sich.

Und der Suppenkasper, besser: Suppenliebhaber) als der sich Peter Franke outet, lässt unter anderem Kartoffelsuppe mit gerösteten Bockwurstscheiben und Spreewälder Fischsuppe auftischen. Für letztere würde ich mein Vaterland verraten, wie man umgangssprachlich pointiert sagt. Ein Renner auf seiner Speisekarte ist das Halbmeter-Rippchen mit Sauerkraut, Landbrot, Meerrettich, Senf, angerichtet auf einem Holzbrett und scharfer Soße. Auf Wunsch auch mit Spreewaldhonig verfeinert. Na gut, Rippchen sind nun gar nicht mein Ding. Aber sie duften verführerisch.

Ich stehe da mehr auf das Lausitzer Nationalgericht Spreewälder Kräuterquark mit Zwiebeln, Petersilie, und Spreewälder Leinöl samt festkochenden Salzkartoffeln. Da läuft mir schon beim Schreiben das Wasser im Munde zusammen. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang noch gut an die Begeisterung meines Großvaters für das gesunde Leinöl. Leider habe ich zu seinen Lebzeiten noch nicht so geschätzt und erst spät für mich entdeckt.
Die Wahl meines Essens war eine echte Qual. Wie gern hätte ich eine pikante Sülze verdrückt, bin aber dann doch bei der "toten Oma" schwach geworden. Nein, das ist nicht makaber, sondern deftige, hausgemachte Grützwurst mit Sauerkraut und Salzkartoffeln. Das war ein echter Gaumenschmaus. Und der oberste Küchenhüter hat mir dann sogar noch einen Appetitshappen von der edlen Sülze zukommen lassen. Das war Schlemmen der feinsten Art, abseits von Gourmetdenken und doch mit dem Anspruch an bodenständige Gourmetküche.

Ein kulinarischer Hammer sind auch solche Angebote wie Peters Riesen-Kohlroulade, das monströse und handwerklich 1a zubereitete Bauernfrühstück, oder die Turnower Rinderroulade. Sogar eine Spreewaldpizza mit Zwiebeln, Lauch und Käse überbacken steht auf der verführerischen Speisekarte. Ich konnte Gäste beobachten, die kamen regelrecht ins Schwitzen beim Essen, waren aber begeistert von der Qualität der Speisen. Dass auch Fisch von A wie BrAthering über Forelle und Matjes nach Art des Hauses bis Z wie Zanderfilet im Angebot waren, hat mich dann schon nicht mehr verwundert.

Sehr ansprechend auch der Stramme Max, nein, das bin nicht ich im berauschten Zustand, war einst neben Warmen Eckchen ein Lieblingsessen meines Großvaters. Und wenn ich Anfang November wieder in Werben bin, werde ich eine Spreewals-Vesper zu Gemüte führen: Fischerschinken vom Karpfen, Roastbeef, Entenbrust von der Barbarieente, Schweinefilet, zwei Sorten Käse, dazu frisches Brot und Butter. Geile kulinarische Nummer.

Für Leckermäuler wie meine Frau gibt's wunderbare Buttermilchplinsen in verschiedensten Variationen, hausgemachten Kalten Hund und Cottbuser Keks. Peter Franke hat mir übrigens versichert, dass er keine Hunde verarbeitet. So viele Hunde gibt's angesichts der großen Nachfrage für diesen Kuchen gar nicht, meint er schmunzelnd. Auch Eisspezialitäten fehlen nicht im Angebot. Und für Bierliebhaber wie mich bietet das Haus Ur-Krostitzer, Radeberger und Lausitzer Dunkel. Das Paulaner Hefeweizen könnte er sich schenken. Das mögen die Bazis in Süddeutschland süffeln. Und wer will, kann sich auch Spreewälder Spezialitäten von Peter Franke mit nach Hause nehmen. Ich habe je eine Glaskaraffe von Peters Blütensalz und Peters Kräutersalz, Meerrettich und natürlich Gurken gekauft und davon schon ausgiebig Gebrauch gemacht. Ich weigere mich aber immer noch, dafür das Wort "lecker" zu gebrauchen. Das gibt's bei mir nicht. Auch nicht zum Kräuter-Peter zuliebe.

Alles in allem: Der Spreewaldkoch und das Landgasthaus und Hotel sind Programm für unverfälschte Gastlichkeit. Und der olle Peter, sechzig Jahre auf dem Buckel, ist ein liebenswertes Original besten Sinne des Wortes. Dem Haus müsste ein Qualitätssiegel "Zur Einkehr empfohlen" verliehen werden. Und den Gastgebern Antje Schlodder-Franke und ihrem Peter gebührt ein Orden für "Original Spreewälder Gastlichkeit".

Was zu meckern habe ich trotzdem: Die Website des gastlichen Hauses ist zwar voller nützlicher Informationen, aber in Gestaltung und Struktur hoffnungslos überladen. Hier könnte man gastfreundlicher und übersichtlicher informieren und lesenswerter darstellen, ohne auf den Reiz der Individualität zu verzichten. Auch eine ordentliche Foto-Galerie könnte nicht schaden. Da solltet sich die Gastgeber nutzerorientierter beraten lassen und nicht auf Masse, sondern auf informative Klasse setzen. Ich bin gern bereit, meine Vorschläge und gestalterischen Erfahrungen einzubringen. Kost' auch nix. Ein Bier, eine Gurke und eine deftige Mahlzeit nach Art des Hauses tun's ja auch...

Anmerkung der Redaktion:

Wir freuen uns über das Lob und die ausführliche Kritik und hoffen, dass sich unser neuer Webauftritt noch übersichtlicher und nutzerorientiert präsentiert.